"Kinder haben das Recht auf ein bisschen Risiko"

Die amerikanische Autorin Kim Brooks hat in der New York Times diesen sehr fantastischen Essay über „Motherhood in the Age of Fear“ veröffentlicht und außerdem ein Buch darüber geschrieben Weil ich beides hochinteressant fand, habe ich Kim Brooks für die Süddeutsche Zeitung interviewt.

Das Interview könnt ihr hier mit SZ Plus lesen.

Mein Lieblingsabsatz hat nicht mehr auf die Seite gepasst. Den gibt es deswegen hier:

Wie bewertet man eigentlich, was wie gefährlich für Kinder ist?

Als Außenstehender kann man das eigentlich kaum, schließlich müsste man wissen, was das Kind schon kann, wie weit die Eltern weg sind, wann sie wieder kommen und so weiter. Interessanterweise spielen aber für die Risikoabschätzung moralische Fragen eine große Rolle, wie Barbara W. Sanecka, eine Wissenschaftlerin an der Universität von Kalifornien, herausgefunden hat.
Sie fragte Leute, für wie riskant und für wie akzeptabel sie es halten, ein Kind alleine zu lassen. Die Gründe variierten, zum Beispiel hatte die Mutter einen Unfall, ging arbeiten oder besuchte ihren Liebhaber. Dass die Befragten das Verhalten der Mütter unterschiedlich gut fanden, war daher zu erwarten. Doch auch das Risiko bewerteten sie unterschiedlich, dabei ist das völlig unlogisch. Sarnecka konnte damit beweisen, dass das Verhalten von Müttern manchmal nicht als falsch bezeichnet wird, weil es unverantwortlich ist – sondern dass man es als unverantwortlich bezeichnet, weil man es für moralisch falsch hält.

Es piept wohl

Eltern passen oft nicht richtig auf ihre Kinder auf. Nur, wer ist schuld? Na klar, das Smartphone. Aber machen wir es uns mit dieser Argumentation nicht ein bisschen einfach? Eine Widerrede.

„Kinder im Schwimmbad verunglückt, weil Mutter einen Roman gelesen hat.“ „Griff zum Strickzeug im Schwimmbad ist riskant.“ „Bademeister warnt: Eltern gucken im Schwimmbad mehr in Zeitung als auf ihre Kinder.“ Alles Schlagzeilen, die in den vergangenen Wochen erschienen sind? Natürlich nicht. Die Schuld an den überdurchschnittlich vielen Schwimmbadunglücken in diesem überaus sonnigen Sommer hat angeblich das Smartphone. Allerdings sind auch schon vor der Vorstellung des ersten Smartphones Unfälle passiert. Und natürlich könnte die Zunahme bei den Badeunfällen auch etwas damit zu tun haben, dass Kinder schlechter schwimmen können als früher, weil es in Schulen zu wenig Schwimmunterricht gibt und immer mehr Bäder schließen. Oder damit, dass in diesem Supersommer viel mehr Leute viel öfter im Freibad waren. Aber was soll die Differenzierung, wenn es doch so einen naheliegenden kleinen, piepsenden Störenfried als Schuldigen gibt, der in der Handtasche der Mutter herumbrummt und sie derart ablenkt, dass sie nicht mehr auf ihren Nachwuchs schaut?

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So war es auf der Blogfamilia

Die größte Elternblogger-Konferenz Deutschlands zeigt: Zwischen Nähanleitungen und Erziehungstipps ist im Netz eine starke politische Lobby entstanden.

Hier trägt jemand eine Aprikosenbluse. Dort sieht man ein Kleid mit Füchsen. Und wer weder süßes Obst noch putzige Tierchen auf der Kleidung hat, schwelgt mindestens in Blumenmustern. Alles ist so bunt. Und so laut. Zwischen Luftballontrauben und im Weg stehenden Buggys streiten Kinder um Schoko-Cake-Pops, Helferinnen in knalligen T-Shirts wuseln herum, und jeder begrüßt überschwänglich irgendjemanden, den er im echten Leben noch nie gesehen hat. Politische Konferenzen stellt man sich anders vor. Und trotzdem parkt vor dem Tagungshotel eine Limousine der Bundesregierung, aus der soeben Franziska Giffey samt Personenschützer, Büroleiterin und Sohn aussteigt. Zum ersten Mal beehrt eine Familienministerin persönlich die Veranstaltung.

Die Blogfamilia in Berlin ist die größte Elternbloggerkonferenz Deutschlands. 180 Mütter und Väter sind gekommen, um mehr über erfolgreiches Publizieren im Internet zu lernen, sich zu vernetzen und Sponsoren zu gewinnen. Die Familienministerin spricht das Grußwort. Giffey ist 40 Jahre alt und hat ein kleines Kind. Sie befindet sich also in der gleichen Lebensphase wie ihr Publikum. Optisch fällt sie mit ihrem marineblauen Etuikleid, dem weißen Blazer und der altmodischen Hochsteckfrisur allerdings aus dem Rahmen.

„Jetzt wird’s formell“, sagt sie denn auch, bevor sie eine freundliche Buzzwordsoße über die Bloggerinnen und Blogger kippt.

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"Ich bin nicht zuständig" - das sage ich nie

 Viktoria B. ist ein bisschen Vorzimmerdrache, ein bisschen gute Seele. Sie ist Assistentin der Geschäftsführung. Wie sich das anfühlt, erzählt sie in einer neuen Folge „Wie ich euch sehe“.

„Ich halte meinen Beruf für einen der abwechslungsreichsten, den es gibt. Ich weiß nie, was der Tag bringt, lerne permanent dazu – und muss es auch. Eine typische Situation in meinem Alltag ist, dass jemand in der Tür steht und sagt: „Ich hab‘ da mal eine Frage.“ Ich habe so gut wie immer die Antwort, und wenn der Mitarbeiter sagt: „Mensch, danke, dich kann man fragen“, freut mich das.Meine Tür ist immer offen. Zum einen will ich Euch damit das Gefühl geben, dass ich immer ansprechbar bin. Zum anderen kann ich so die Leute, die direkt zu meinem Chef wollen, abfangen. Denn dafür braucht ihr einen Termin und den bekommt ihr von mir – oder auch nicht …“

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Vater, Mutter, Kind - und das Leben ist gut?

Die österreichische Politikwissenschaftlerin Mariam Irene Tazi-Preve erforscht die Lebensumstände von Müttern und Vätern. Dabei zieht sie ein etabliertes Lebensmodell in Zweifel: die Kleinfamilie. Ein Gespräch über Mythen und falsche Erwartungen.

SZ: Heutzutage gibt es viele Formen von Familie: Regenbogenfamilien, Patchwork-Familien, Ein-Eltern-Familien und so weiter. Kann man da wirklich noch die Kleinfamilien-Norm kritisieren?

Mariam Irene Tazi-Preve: Ja, sie ist stärker denn je. Regenbogenfamilien bestehen vielleicht aus „Vater-Vater-Kind“ oder „Mutter-Mutter-Kind“, Patchwork-Familien aus „Mutter-neuer Partner-Kind“ oder „Vater-neue Freundin-Kind“. Wirklich neu ist da nur, dass Kinder aus früheren Beziehungen integriert werden. Wenn sie Glück haben, haben sie zusätzlich noch Kontakt zum anderen Elternteil – super, dann ist eine Bezugsperson mehr da! Ansonsten weichen diese Familienformen jedoch nicht von der Kleinfamilien-Norm ab. Und zum Thema Alleinerziehende kann ich nur sagen: Wenn ein Erwachsener – oder eine Erwachsene, meistens ist es ja die Mutter – ganz alleine die Verantwortung für Kinder tragen muss, dann ist das eine Katastrophe. Kein Mensch kann das leisten.

Es gibt Millionen Alleinerziehende in Deutschland, viele davon kommen ganz gut zurecht.

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Jungs sind halt so

#MeToo für Eltern: Wie man Söhne heranzieht, die Frauen respektieren – und wie es Kinder beeinflusst, wenn sie immerzu daran erinnert werden, zu welchem Geschlecht sie gehören.

Neulich mit der sechsjährigen Tochter zu Besuch bei einer befreundeten Familie. Der Sohn des Hauses scheucht seine Mutter durch die Küche, verzichtet auf „bitte“ und „danke“ und zerrt seine widerstrebende Klassenkameradin in sein Zimmer, um mit Lego-Bauten anzugeben. Die Mutter zuckt nur die Schultern: „Wenn ein Mädchen da ist, will er Eindruck schinden.“ Jungen sind eben so?

In den vergangenen Wochen wurde unter dem Hashtag #metoo über Sexismus und sexuelle Belästigung diskutiert. Es ging dabei um zotige Witze und Vergewaltigung, um Machtverhältnisse und Rollenklischees und um die Beziehungen zwischen Männern und Frauen, die sich ja nicht nur als Kolleginnen und Kollegen gegenüberstehen, sondern auch als Freundinnen und Freunde, als Partnerinnen und Partner, als Liebende – und nicht zuletzt als Eltern von Jungen und Mädchen.

Wir sind weit gekommen mit der Gleichberechtigung, denken wir und schauen auf Männer in Elternzeit, die Kinderwagen durch Parks schieben. Gleichzeitig kaufen wir dem Einjährigen keinen Puppenbuggy, weil es die nur mit rosa Schmetterlingen gibt.

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Schmerzensempfehlung

Kopfschmerzen bei Kindern scheinen ansteckend zu sein. Im November jedenfalls erschienen in vielen Internetblogs von und für Eltern Sätze wie diese: „Wenn alles nicht hilft, dann gebe ich Medikamente.“ „Ich halte nichts vom Aushalten von Schmerzen.“ „Wenn die Kopfschmerzen schlimmer werden, dann nimm eine Schmerztablette.“ Es schien, als würden die Kinder sämtlicher Autorinnen und Autoren plötzlich massiv von Schmerzen und Migräne geplagt.

Nina Massek alias „Frau Mutter“, Anna Luz de Leon alias „BerlinMitteMom“, Jessica Schonk alias „feierSun“ und zahlreiche weitere Elternblogger schrieben auf ihren Seiten über Kopfschmerzen. Auch die jugendliche Influencerin TinyTina riet in einem Youtube-Video, auf jeden Fall früh genug eine Tablette zu nehmen. Unter allen Beiträgen stand so etwas wie „in Zusammenarbeit mit der Initiative Schmerzlos“ und „sponsored post t5content“.

 

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"Eltern zu benachteiligen, gilt als Kavaliersdelikt"

Arbeitsrechtlerin und Bloggerin Nina Straßner macht das wütend. Sie findet, dass selbst Betroffene viel zu viel Verständnis für diskriminierende Chefs haben.

Nina Straßner ist Fachanwältin für Arbeitsrecht in Kiel. Im Gerichtssaal sagt sie gerne „Diese Aussage entbehrt jeder Grundlage“. Weil aber „F*CK you very much“ ihre Ansichten manchmal besser ausdrückt, schreibt sie auf ihrem Blog Juramama über die rechtlichen Tücken des Elternseins.

SZ: Es gibt kein einziges Gesetz in Deutschland, das Frauen diskriminiert, und im Grundgesetz steht die Gleichberechtigung seit Jahrzehnten. Warum regen Sie sich so auf?

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Erzieherinnen sind auch nur Menschen

In einer Münchner Kita wurde ein Kind an einem Baum angeleint, nun ist die Empörung groß. Doch so unverzeihlich das ist: Wenn es ums eigene Kind geht, vergessen manche Eltern, dass Fehler menschlich sind.

Bevor wir uns falsch verstehen: Der aktuelle Fall ist so drastisch, dass man sich nur schwer Umstände vorstellen kann, die das Verhalten der Erzieherinnen rechtfertigen. Bei einem Kita-Ausflug in der Nähe von München wurde ein zweijähriges Kind über einen längeren Zeitraum mit einer pinken Hundeleine am Baum festgebunden. Das ist Freiheitsberaubung, das ist entwürdigend – und bei der Bewertung dieses Vorgangs ist es ziemlich egal, wie sich der Junge vorher benommen hat.

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Die Wellenmacherin

Im Netz erzeugt die alleinerziehende Mutter Christine Finke eine Welle nach der anderen, eine schwappte bis ins Familienministerium. Bringt das was? Und was bringt ihr das?
Manuela Schwesig hat sich bei ihr bedankt. Persönlich am Telefon. Und öffentlich auf Twitter, nachdem die Einigung zum Unterhaltsvorschuss-Gesetz durch war. Christine Finke ist darauf mächtig stolz. Die Familienministerin folge ihr jetzt auf Twitter, erzählt die Betreiberin des Blogs www.mama-arbeitet.de, während sie bei Nieselregen in der Konstanzer Fußgängerzone nach einem Ort für das Interview sucht. „Schwesig folgt nur sehr wenigen Leuten!“

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